Ein Mann in einem dunklen Anzug steht draußen vor einem Gebäude und schaut in die Kamera.
Tammo Berner ist Vorstand der EBH Euro Baubeschlag-Handel AG. (Quelle: EBH AG)

2025-09-15T10:03:34.898Z Der Handel kommt gut durch die Krise

Alle Welt klagt derzeit über die Krise am Bau und wartet auf eine Art Initialzündung, damit der sprichwörtliche Konjunkturmotor endlich wieder anspringt und wieder in Neubauprojekte investiert wird. Gleiches gilt auch für die Renovierung, die ebenfalls schwächelt. In manchen Gesprächen mit Baubeschlaghändlern konnten wir in den zurückliegenden Monaten den Eindruck gewinnen, dass bei vielen die Stimmung derzeit deutlich besser ist als die tatsächliche wirtschaftliche Situation. Aber ist dies wirklich so? Wir sprachen mit Tammo Berner, Vorstand der EBH Euro Baubeschlag-Handel Aktiengesellschaft, und baten um seine Einschätzung.

Herr Berner, was kann der Baubeschlaghandel tun, um die gegenwärtige Flaute zu überbrücken und sich entsprechend neu und vielleicht sogar besser aufzustellen?

Wenn ich für die Mitglieder der EBH AG spreche, dann trat bereits ab dem 4. Quartal 2024 eine leichte Besserung ein. Natürlich lag und liegt der Neubau brach, aber im Bereich der Renovierung und Nachrüstung gab es durchaus Licht am Horizont. Neuzugänge herausgerechnet, konnten unsere Fachhandelspartner im vergangenen Jahr sogar einen ähnlichen Einkaufsumsatz verbuchen wie im Jahr davor. Und bezogen auf die ersten fünf Monate in 2025 können wir durchaus von einer recht erfreulichen Entwicklung sprechen. Ein Grund für den allgemein gefühlten Stillstand ist sicher auch in der alten Bundesregierung zu sehen, die zumindest in den letzten Monaten ihrer Amtszeit mehr mit sich selbst als dem Fortkommen unseres Landes beschäftigt war. Zumindest unter der neuen Bundesregierung macht sich auch in unserer Branche gefühlt wieder etwas mehr Optimismus breit, so beispielsweise durch das im Juni beschlossene „Bau-Turbo-Gesetz“, das hoffentlich bereits im Herbst in Kraft treten wird. Aber was kann der Handel sonst tun, um aus der Flaute herauszukommen? Mögliche Wege aus der Krise sind aus unserer Sicht eine stärkere Diversifizierung, sprich eine Ausweitung des Leistungsangebots und das intensive, proaktive Bearbeiten der Märkte. Dazu gehört auch, dass der Fachhandel direkter und stärker auf Architekten und Planer zugeht und sich schon in einer sehr frühen Phase eines Bauprojekts proaktiv ins Gespräch bringt. Betrachten wir das Objektgeschäft insgesamt, dann liegen hier nach unserer Auffassung weiterhin die größten Wachstumspotenziale, so beispielsweise im Bereich der elektronischen Zutrittskontrolle, die eine große Resilienz gegen jegliche Krisen zeigt.

Wie sieht die Situation konkret bei den EBH-Partnern aus?

So wie es auf uns wirkt, konnten die meisten Händler im vergangenen Jahr allein durch das operative Geschäft bestehen. Aber natürlich gab es auch an der einen oder anderen Stelle Kurzarbeit und freiwerdende Stellen wurden nicht sofort wieder neu besetzt.

Wie groß ist nach Ihrer Einschätzung der Anteil der Händler, der seine Hausaufgaben erledigt und die Krise nutzt, um das Geschäft und die Abläufe zu optimieren?

Wieder bezogen auf die Mitglieder der EBH AG haben die meisten Fachhändler die Krisenzeit sicher genutzt, um beispielsweise die internen Abläufe zu optimieren, um neue Softwareprogramme einzuführen oder auch um die KI zur Unterstützung von standardisierten Aufgaben zu nutzen. Auch haben viele Mitglieder, im großen Stil in die Automatisierung der Logistik investiert. All dies sind notwendige evolutionäre Prozesse.

In dem Zusammenhang gefragt, gibt es Händler, die vielleicht noch Anstöße brauchen und falls ja, was sind dies genau für Impulse?

Es gibt sicher noch den einen oder anderen Fachhändler, der etwas aktiver werden sollte und vielleicht einen „Anstoß“ braucht. Ein solcher vertrieblicher Impuls ist beispielsweise das KRITIS-Dachgesetz, das in diesem Jahr in Kraft treten soll. Mit dem Gesetz soll die Resilienz und physische Sicherheit kritischer Infrastrukturen (KRITIS) gestärkt werden. Das bedeutet, hier entsteht gerade ein enormer Markt, an dem der Baubeschlagfachhandel partizipieren kann und auch muss. Nur ein Beispiel: Ein großer Energieversorger hat kürzlich für die Nachrüstung an seinen Gebäuden für mehrere Millionen Euro Zutrittskontrollen bestellt. Ohne das Gesetz wäre dieser Auftrag vermutlich nie zustande gekommen. Wir versuchen jetzt natürlich, unsere Mitglieder dahingehend zu motivieren, hier aktiv zu werden und auf ihre Bestandskunden im Bereich der kritischen Infrastruktur wie natürlich auch auf ihre Handwerkerkunden, die in diesem Segment tätig sind, zuzugehen.

Gibt es im Kreise der EBH-Partner Unternehmen, die die gegenwärtige Situation möglicherweise nicht unbeschadet überstehen werden?

Dies lässt sich natürlich nicht ausschließen, aber aktuell liegen uns hierzu keine Informationen vor.

Wie unterstützt die EBH AG ihre Partner in der gegenwärtigen Krise?

Auf der einen Seite sind es zum Beispiel die vielen unterschiedlichen Aus- und Weiterbindungen, die die Mitglieder des Fachhandels in ihrem Tagesgeschäft stärken und die auch durch Denkanstöße dazu beitragen können, in schwierigen Zeiten die richtigen Entscheidungen zu treffen und immer einen kühlen Kopf zu bewahren. Oder es ist das Heranführen an neue Märkte wie beispielsweise über die Plattform SmartWorldPool (SWP). Hier gibt die EBH ihren Fachhandelspartnern ein Tool an die Hand, das die verschiedenen Gewerke wie auch Hersteller und Produkte zusammenbringt und es Fachbetrieben damit ermöglicht, ihren Kunden individuelle, über das eigene Gewerk hinausgehende und höherwertigere Gesamtlösungen anbieten zu können. Denn der Markt für Smart-Home- und Smart-Building-Produkte entwickelt sich weiter rasant. Egal ob Fenster, Türen oder Sicherheitstechnik – der Schlüssel zu wirksamer Gebäudeautomatisierung mit hohem Nutzwert liegt immer in der gewerkeübergreifenden Vernetzung der verschiedenen Technologien, Systeme und Komponenten.

Ist beispielsweise auch eine aktive Unterstützung bei möglichen Übernahmen denkbar?

Natürlich wissen wir, wenn jemand grundsätzlich kaufinteressiert ist. Dann vermitteln wir und stellen auf Wunsch Kontakte her. Danach sind wir dann aber raus.

Welche Auswirkungen hat die VBH-Insolvenz auf den mittelständischen Baubeschlaghandel?

Wie es heißt, soll der operative Geschäftsbetrieb der VBH zum Ende des Jahres eingestellt werden. Ich gehe davon aus, dass der mittelständische Baubeschlagfachhandel – wir sprechen hier über ein Volumen von geschätzt 170 Millionen Euro – dies sicher auffangen kann.

Anders gefragt, hat die VBH-Insolvenz bereits jetzt spürbare Auswirkungen auf den mittelständischen Baubeschlaghandel – beispielsweise Kunden, die sich von den VBH-Betrieben abwenden?

Bis zum jetzigen Zeitpunkt spüren unsere Mitglieder noch keine verstärkte Nachfrage von VBH-Kunden, denn die Kunden können bis Ende Oktober weiterhin Bestellungen platzieren. Aber es gibt durchaus VBH-Kunden, die derzeit die Lage sondieren und sich schon mal nach alternativen Bezugsquellen umsehen.

Ein „typischer“ Baubeschlaghändler ist in Sachen Produktvielfalt in der Regel sehr breit aufgestellt. Welche Produktbereiche sind aktuell stärker rückläufig, welche Segmente stagnieren oder legen unter Umständen sogar noch zu?

Zulegen konnten in diesem Jahr beispielsweise die Schließzylinder, die Türschließer oder die Türbänder. Auch die Briefkästen legten zu. Negativ entwickelten sich beispielsweise Schiebebeschläge, Glasbeschläge oder auch Eisenwaren allgemein. Ein echter Ausreißer nach oben ist der Bereich Sonnenschutz und Beschattung.

Ein ganz anderes Thema ist die Unternehmensnachfolge. Bei vielen mittelständischen Unternehmen steht in den nächsten Jahren ein Wechsel an der Spitze an. Leider werden gerade im Handwerk einige Unternehmen verschwinden, da es keine Nachfolge gibt. Wie sieht es im Baubeschlaghandel allgemein und bei den EBH-Partnern im Besonderen aus?

Bei vielen unserer Mitglieder ist der Generationenwechsel zum Glück gut geregelt. Sei es durch die Übernahme von Verantwortung durch die junge Generation oder auch den Einstieg externer Geschäftsführungen in die Unternehmen. Was diesen Punkt angeht, machen wir uns zumindest bezogen auf unsere Mitglieder keine größeren Sorgen. Wie es bei anderen Unternehmen aussieht, können wir so konkret nicht sagen.

Unterstützt die EBH ihre Partner auch im Bereich der Betriebsnachfolge?

Ja, und zwar ebenfalls durch entsprechende Schulungen und Seminare für die Nachwuchskräfte. Aber auch das Netzwerk EBH an sich wirkt sich positiv aus, denn viele Betroffene sind hier im Erfahrungsaustausch mit anderen.

Über die EBH

Die im Jahre 2002 gegründete EBH AG verfügt heute über 100 Mitglieder und 450 Standorte in insgesamt 23 Ländern. Der Baubeschlag-Außenumsatz der Mitglieder belief sich im vergangenen Jahr auf gut 1,2 Milliarden Euro.

zuletzt editiert am 15. September 2025